… Der Neuanfang

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Es ist der 24. August 2022. Der 31. Jahrestag der Unabhängigkeit der Ukraine von der Sowjetunion. Ein Tag zum Feiern! Doch gefriert uns das Blut in den Adern, wenn wir daran denken, dass es auch der Tag ist, an dem Russland vor sechs Monaten die Ukraine überfiel. Ohne Notwendigkeit hat ein autokratisch regierter Staat ein Land der freien Welt überfallen. Ein Kriegsverbrechen reiht sich an das Nächste.

Doch dieser Krieg wird nicht nur mit militärischen Mitteln geführt. Längst tobt ein Wirtschaftskrieg, in dessen Strudel wir alle geraten, egal wie sehr wir strampeln. 73 Jahre lang stand Europa nicht vor solch immensen Herausforderungen. 73 Jahre lang kannte unser Wohlstand kaum Grenzen. 73 Jahre lang unsere Gier gar keine Grenzen.

Genau darin liegt die Krux. Frieden und Wohlstand haben wir für selbstverständlich genommen. Selbstverständlich war alles jederzeit und an jedem Ort für uns verfügbar. Die Chips aus dem Supermarkt auch noch nach 21 Uhr? Selbstverständlich! Sonntagmorgen frische Brötchen vom Bäcker? Selbstverständlich! Die Packung Kippen vonne Tanke um 02.30 Uhr? Selbstverständlich! Wir leben in einer maßlosen Gesellschaft.

Jeder Verzicht, den wir üben sollen, wird zu einer Belastungsprobe ungekannten Ausmaßes. Ist uns eigentlich bewusst, dass wir mit unserem Verhalten immer auf Kosten anderer leben? Auf Kosten der Umwelt, ohne die wir nicht leben können. Auf Kosten der Menschen, die für uns ihre Geschäfte selbst zu den unmöglichsten Tageszeiten offenhalten. Auf Kosten unserer Kollegen, die wir auch spät abends noch mit vermeintlich wichtigen Dingen per E-Mail, WhatsApp, und wie die Kommunikationsportale alle heißen, belästigen.

So kann es nicht weitergehen. Wir müssen an unserem Anspruchsdenken Gewaltiges verändern, sonst macht uns der Stress, den wir uns und anderen bereiten, kaputt. Wir müssen nicht jeder Zeit erreichbar sein! Wir müssen nicht jederzeit jeden Wunsch erfüllt bekommen! Aber wir müssen: mehr Rücksicht aufeinander nehmen!

Jeder von uns mag sich Gedanken machen, was ist für mich wirklich notwendig, was wünschenswert und auf was kann ich verzichten. Nur mit einem solchen Dreiklang der eigenen Bescheidenheit werden wir es schaffen, Wohlstand für alle zu erhalten. Dieser Wohlstand ist es, der das Fundament unseres sozialen Friedens bildet. Dieser soziale Frieden schützt unsere Demokratie vor der Machtergreifung skrupelloser linker oder rechter Demagogen. Und unsere Demokratie ist der Garant, dass wir in Frieden leben.

In vier Monaten ist Heiligabend. Wie wird die Welt dann aussehen? Werden sich all die Schreckensszenarien erfüllt haben oder nicht? Werden wir immer noch unseren über Jahrzehnte eingeübten Ansprüchen nachjagen? Oder werden wir die ersten Schritte zu einem rücksichtsvolleren Miteinander unternommen haben?

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